Vorwort:
Der gerade Stoß ist die Basis aller denkbaren Aktionen der klassischen Schule und des modernen Sportfechtens. Da der Degen ausschließlich eine Stoßwaffe ist, ist das Beherrschen des geraden Stoßes die wichtigste aber auch gleichzeitig die technisch schwierigste Aktion. Beim geraden Stoß ist peinlichst genau auf Präzision und vor allem auf die Einhaltung der zeitlichen Reihenfolge der einzelnen Bewegungselemente zu achten. Trotz der scheinbaren Einfachheit dieser Aktion ist sie für das Degenfechten die wichtigste. Wenn der gerade Stoß aus mittlerer Mensur technisch gut und im richtigen Augenblick durchgeführt wird, kann man ihn so gut wie nicht mehr parieren. Diese einfache Aktion bildet für den Hochleistungsbereich die Grundlage einer optimalen Treffsicherheit. Das ständige Üben des geraden Stoßes empfindet der Fechtanfänger oft als langweilig und unnütz. Deshalb muß man immer wieder darauf achten, daß spielerische Varianten in die Übung einbezogen werden. Die Durchführung des geraden Stoßes erfolgt aus den 4 Einladungen (Oktav, Quart, Sixt und Quint) und wird im folgenden beschrieben:
1. Der Waffenarm wird gestreckt bis die entsprechende Blöße anvisiert ist und die Spitze ruht.
2. Jetzt erfolgt der Stoß mit Ausfall (im Ausfall etwas liegen bleiben).
3. Man kehrt in die Fechtstellung zurück. Dabei wird der Waffenarm gleichzeitig mit dem Zurückkehren des Ausfallbeines mäßig eingezogen, bis die Fechtstellung wieder erreicht ist. Das Armstrecken darf nicht ruckartig erfolgen, und der Übergang in den Stoß mit Ausfall muß fließend sein. Die Schulter muß vollkommen gelockert sein, und der Arm muß ganz gestreckt werden. Bei richtig durchgeführtem Stoß mit Ausfall muß die Spitze den Gegner treffen, bevor das Ausfallbein den Boden berührt. Die Linie als „Klinge in Linie“ wird der gestreckte Waffenarm mit Bedrohung der gegnerischen Trefffläche bezeichnet. Eine Linie macht jeden freien Angriff des Gegners unmöglich, das heißt, um gültig zu treffen, muß er unbedingt einen Klingenangriff durchführen. Die Vorteile des Fechtens mit »Klinqe in Linie« sind bedeutend . Sie erfordern aber sehr viel Übung, weil u. a. der Übergang in eine Parade beträchtlich schwieriger ist, als aus einer Einladung. Die obere Linie Der Schüler steht in Fechtstellung und bedroht mit der Spitze durch Streckung des Waffenarms die Brust bzw. eine der oberen Blößen des Trainers. Die Schulter darf nicht hochgezogen werden und muß locker bleiben, da die Armbewegungen sonst aus der Schulter gemacht werden, was auf alle Fälle vermieden werden muß. Die untere Linie Die Ausgangsstellung gleicht der der oberen Linie. Bei der unteren Linie zeigt der Schüler bei gestrecktem Arm in eine der unteren Blößen. Dabei ist ein leichter Knick im Handgelenk zulässig.
Die Verknüplung von Arm- und Beinbewegungen
Man unterscheidet Bewegungen, die zu einem Treffer führen (Treffbewegung) und den Wechsel der Waffenstellung (Positionswechsel). Bei Anfängern erfolgt die Armbewegung stets vor Beginn der Beinbewegung, die den beabsichtigten Angriff vorwärts trägt.
Bei fortgeschrittenen Fechtern beginnt das Armstrecken höchstens zugleich mit den Beinen. Bei einer Offensivaktion darf die Vorwärtsbewegung der Waffe nicht unterbrochen werden, da man sonst das Angriffsrecht verliert und der Gegner einen berechtigten Zwischenstoß setzen kann. Durch den Positionswechsel wird die Klingenlage geändert und die Blößen der Treffflächen geöffnet oder gedeckt. Der Wechsel der Waffenstellung erfolgt in einer bogen- oder kreisförmigen Bewegung. Die Benennung des Positionswechsels orientiert sich an der Bewegungsrichtung der Waffe. Horizontale oder vertikale Bewegungsänderungen sind »direkte Positionswechsel«. Erfolgt die Waffenbewegung diagonal von oben außen nach unten innen oder von oben innen nach unten außen bzw. in umge kehrter Richtung) spricht man von einem „halbkreisförmigen Wechsel“.
Der Angriff Ein Angriff wird zielgerichtet unter dem Aspekt durchgeführt, beim Gegner - bei eigenem Treffervorrecht im richtigen Augenblick durch Verkürzen der Mensur- die gültige Trefffläche zu treffen. Ein gut vorbereiteter Angriff ist der sicherste Weg, einen Treffer zu setzen, denn der Angreifer hat die Initiative und kann den Angriff im Moment seiner optimalen Bereitschaft beginnen. Nach dem Reglement ist der Angriff eine Offensivaktion, die durch Streckung des Waffenarmes eingeleitet wird und die gültige Trefffläche des Gegners bei gleichzeitiger Mensurverkürzung ununterbrochen bedroht. Derjenige, der zuerst den Angriff startet, hat Treffervor recht, das heißt, der Gegner kann in diesem Augenblick keinen Angriff beginnen, sondern muß die auf ihn gerichtete Offensivaktion parieren, um selbst einen Angriff einleiten zu können. Setzt der Gegner in einen korrekten Angriff mit gültiger oder ungültiger Trefferausbeute ebenfalls einen Treffer, so wird dieser Treffer nicht registriert. Ein einfacher Angriff wird in einer einzigen Bewegung durchgeführt. Diese Bewegung kann direkt, von Anfang bis zum Aufkommen des Treffers, in die anvisierte Blöße oder indirekt, durch eine einfache Finte in eine andere Blöße, durchgeführt werden. Ein zusammengesetzter Angriff wird in mehreren Bewegungen vollzogen. Zusätzlich werden freie Angriffe (ohne Klingenkontakt) und Klingenangriffe (mit gegnerischem Klingenkontakt) unterschieden.